„Oh, wenn ihr schon in Mexico City seid, müsst ihr unbedingt nach Teotihuacán raus!“
„Ihr könntet auch einen Ausflug zu den wunderschönen Badeorten machen, sind nur 2 Stunden Fahrt!“
„Wir gehen heute Abend in eine Cocktailbar, wollt ihr mit?“
Um ehrlich zu sein: „nein, glaub nicht“, „eher unwahrscheinlich“, „vielleicht spontan“,…
Was ist da los?
„Ein Jahr frei!“ – Nein! Ein Jahr Reise!
Man muss das erst mal selbst erfahren, wie es sich anfühlt nach vielen Monaten Reise. Beschreiben kann man das alles nicht. Auf jeden Fall anders, als es sich manche vorstellen. Wir könnten uns nach wie vor einen längeren Zeitraum als ein Jahr vorstellen, keine Frage, aber reine freie Zeit ist das ganz sicher nicht! Nur wie soll man das jemandem erklären, der sich nach ’ner zähen langen Arbeitswoche und vielleicht noch mit sich streitenden Kindern daheim gerade nichts sehnsüchtiger wünscht, als einfach mal weg zu sein?
– Genau! – Geht nicht! Das versuchen wir hier erst gar nicht… aber für uns selbst ordnen wir momentan immer wieder die Dinge, die Gefühle, die Herausforderungen dieses Jahres, die Kleinigkeiten und Bedürfnisse und denken allgemein übers Reisen an sich und unsere Reise nach…. weil es eben kein Urlaub ist.
„Ein Jahr Reise, ein Traum!“ – Ja! Aber nicht alle Träume sind immer rosa!
Begonnen hat „es“ rückblickend in Utah, da ab Moab die einfache hier-ist-es-schön,-hier-bleiben-wir-Schlafplatzsuche unmöglich war. Kalifornien war schön, aber ist auch kein Camperhimmel. Und ab da wars sehr viel Organisation (Grenze, Fähre, Container), zu schnelle Landüberquerungen, viele Asphaltparkplätze, zweimal mehrere Tage Magenprobleme und mehr und mehr Unsicherheit, was die Sicherheit für uns und unser Equipment samt Auto angeht. – Also insgesamt mehr Anspannung als zuvor.
Nach den Monaten on the Road merken wir nun also tief innen drin und manchmal auch oberflächlich sehr ersichtlich, dass eine Zäsur, ein Break, eine Pause, ein Nachspüren, ein… was auch immer notwendig ist.
Aber was ist es eigentlich genau? Dem Gefühl innen drin muss man also mal bissl auf den Zahn fühlen und in Worte fassen. Deshalb auch dieser Blogeintrag. Um ein wenig zu resümieren. Und auch um ehrlich zu sein. Es ist nicht immer alles rosa, daheim nicht und unterwegs aber auch nicht! Wir müssen bissl umdenken, Pläne neu schmieden, nach den Erfahrungen der ersten Halbzeit weiterdenken und wir brauchen zur zweiten Halbzeit gefühlt nun erstmal zwei Pausen: eine Ortswechselpause und – so blöd es auch klingt – Urlaub!
Mexiko City kommt gerade recht: es tut zunächst mal gut 10 Tage an einem Ort zu sein und eine Wohnung zu haben… und zwar ein und derselbe Ort… ohne Ausflüge… sogar ohne abends wegzugehen. Kein Ortswechsel, sondern Wohnen. Einfach nur mal am Tisch essen, dann auf einer bequemen Couch sitzen und anschließend warm Duschen und ins Bett legen. Alles das, was daheim alltäglich ist hald!
„Klar“, werdet ihr nun sagen, „man merkt das erst, wenn man es nicht hat!“ Ja, aber darum geht es hier gar nicht, es geht darum, sich nicht täglich um Alltägliches neu kümmern zu müssen. Beispielsweise um den Aufbau der Stühle, um den Kocher, um ein gerades Bett, um einen sicheren Platz für das Bett, um Wasser, um Strom=Sonne für den Kühlschrank, usw. Und wie das Wort Alltägliches schon sagt: eben jeden Tag wieder. Gleichzeitig kostet Neues aufsaugen genauso Kraft. Manchmal fühlt man sich beim Reisen wie vermutlich ein kleines Kind, das tagsüber so viel Neues gesehen hat, dass es abends fix und fertig und lästig ist.
Die lange Liste an täglich Notwendigem und aber auch das täglich Neue, das sind wohl die eigentlichen Herausforderungen beim Langzeitreisen, nicht all das, auf was man verzichten muss. Verzichten ist weniger Stress als man denkt und Reisen mehr Arbeit als es aussieht.
Die dritte Herausforderung ist es, diesen Traum auf sehr engem Raum und immer mit dem Partner zu leben, der aber natürlich nicht immer so tickt, wie man selbst. (Dazu kommt irgendwann ein eigener Blogeintrag) Wir finden aber, wir schlagen uns bis jetzt echt ganz gut: immerhin 25 Wochen fast rund um die Uhr zusammen und noch kein einziges Auge ausgekratzt! Wir mögen uns noch, wir können es uns sogar noch viel länger vorstellen und wenns mal knirscht, suchen wir nach einer Lösung. Diesbezüglich kann der Traum aber auch ziemlich nervig werden. Anstrengende Tage wirken sich schnell auf die Beziehung aus und spätestens, wenn man nur noch faucht, merkt man, dass das Reisetempo vielleicht zu hoch ist oder der Freiraum zu gering. Die schönste Landschaft der Welt kann man wirklich null genießen, wenn die Luft zwischen Fahrer und Beifahrer zum Schneiden dick ist. Spaß ist das dann auch keiner mehr. Zeit für sich zwischendrin, ohne zu reisen, tut somit auch der Partnerschaft gut. Ein Roadtrip im kleinen Auto ist für ein Paar durchaus eine eigene Herausforderungen für sich. In Island spürten wir das nur wenig, aber wenn die Zeit länger und die Bedingungen außen rum anstrengend werden – und beim „Overlanding“ ist eigentlich immer irgendetwas anstrengend! – bedeutet das Arbeit für UNS! Diese 24/7-Beziehungsarbeit, um es im Bürojargon zu sagen, ist gar nicht zu unterschätzen.
Reisen ist also kurz gesagt Arbeit, ziemlich viel sogar. Und genauso wie man urlaubsreif nach viel Arbeit ist, wird man urlaubsreif nach einer längeren Zeit auf Reisen.
Mexiko City war zunächst mal eine super Ortswechselpause und nun machen wir noch eine kleine Reisepause an der Karibik, um die Reise wieder ins Gleichgewicht zu schubsen. Wir brauchen ja nicht viel: einen netten Ort für ein paar Tage, Sand, Meer und eine Holzhütte mit einer Hängematte davor…
Urlaub! – soviel Zeit muss sein!