Die begonnene kleine Straße am Nevado del Ruiz fahren wir nach dem sonnigen klaren Morgen einfach weiter. Gestern sind uns insgesamt nur zwei Busse und ein Auto begegnet, plus drei Reiter. Motorisierung – Nichtmotorisiert also 1:1. Hier wird das Meiste, gefühlt alles außer Touristen, mit den Maultieren, Eseln und Pferden transportiert.
Die Landschaft und das Wetter verändern sich. Im Nebel, der dann immer dichter wird, geht uns ganz allein ein bepacktes Maultier entgegen.
Nach ein paar hundert Meter kommen noch welche.
Sie gehen brav an den Straßenrand, lassen uns passieren und tigern dann weiter den Hügel hinauf.
Erst weitere hunderte Meter dahinter geht ein Mann hinterher. Aha… die haben also einen Plan und gehören zusammen.
Klappt auch mit denen ganz gut, aber als wir noch weiter fahren, sehen wir einen Jungen, der Maultiere, die in die andere Richtung gehen – also vor uns her – versucht zum Umdrehen zu bewegen. Er läuft ihnen hinterher. Wir stoppen und warten, damit er sie in Ruhe fangen, sie umdrehen und die dann an uns vorbeigehen können. Zwei erwischt er und bringt sie dazu raufzugehen, den anderen hinterher. Runter laufen die wohl lieber als rauf? Muss man sich jetzt fragen, wer von denen die cleveren sind… 😉
Wir fahren im Nebel ein Stück weiter runter, da trabt ziemlich zügig ein ebenfalls beladenes Pferd vor uns her. Ohoh, der sollte mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit auch rauflaufen und nicht runter. Wir überlegen kurz, ob wir uns einmischen sollen, es ist einfach so ersichtlich, dass er zu den anderen gehört. Aber er is schon weit weg und er läuft und läuft und läuft… bis wir ihn überholen können.
Ich steig aus und schau mal, wie er reagiert… er lässt sich bereitwillig umdrehen. Anfangs geht er ganz zügig hinter mir her, aber dann versucht er wieder umzudrehen. Martin hilft mit dem Auto. „Vamos!“
Ein gutes Stück bringen wir das Tier so in die (vermeintlich) richtige Richtung. Immer mürrischer und langsamer. Dann stellt er sich im wahrsten Sinne quer und mag nicht mehr. Kein Ziehen am Halfter hilft. Es ist kein Esel, ich glaube ein Pferd oder vielleicht auch Maultier… verhält sich aber definitiv stur wie ein Esel. Er will umdrehen, ich kann versuchen was ich mag, er bleibt stehen. Wir diskutieren noch kurz, was wir nun machen. Wenigstens haben wir ihn etwas aufgehalten und für den Jungen etwas Zeit gewonnen, aber so richtig erfolgreich war die Aktion nicht.
Weiter dem Navi nach. Durch ein kleines Dorf, das glaub ich selten Touristen sieht und an bunten Gärten vorbei.
Für mich wieder spannend, was außerhalb der Gärten wächst, nämlich einfach so, neben dem Straßenrand: Amarillis! In gestreift, genau wie meine daheim! Und in rot und weiß. Jetzt wundert mich nix mehr, dass die auch ohne viel Wasser auskommen und Trockenphasen sogar brauchen… Regen und Trockenzeit hald!
Eine Freundin meinte als Reaktion auf unsere Fotos hier, sie hätte sich Kolumbien nicht so bunt vorgestellt. Es ist echt bunt, die Vögel und die Häuser. Hier sind hald sogar die Insekten, die an der Windschutzscheibe kurz hängen bleiben, bunt!
Wir kämpfen uns schlechten kleinen Straßen entlang, an denen die Erosion in den Kurven oft schon erheblich ist.
Es wird wohl versucht hier was zu ändern, die riesengroße Tafel macht Werbung für Straßenprojekte. Mit Vorher- und Nachherbilder (ANTES – DESPUES) soll die Verbesserung deutlich werden. Vielleicht haben die geteerten Straßen hier auch mal so neu asphaltiert ausgesehen wie am Plakat:
Ich muss aber nur noch lachen, denn kurze Zeit nach der Verbesserung schauts ganz anders aus! Despues DESPUES! Die Natur siegt hier schneller als daheim. Hier nur drei Beispiele:
Despues DESPUES Nummer 1:
Despues DESPUES Nummer 2:
Despues DESPUES Nummer 3:
Um ehrlich zu sein war ich froh um diese zwei Tage langsames rumeiern und die schlechten Straßen. Das ist unser letzter Abseits-Mainroad-Trip in Südamerika. Ich genieße jeden Meter langsames Geschaukle.
Irgendwann kommen uns keine Autos mehr entgegen und dann kommt das:
Auf den Fotos ist es schwierig zu zeigen, wie groß der Abbruch ist. Guggt bitte wie klein Martin ist:
Ein sehr leichtes Moto hat einer rübergeschoben. Eine schwere BMW müsste man ohne Gepäck zu zweit schieben, alleine auch keine Chance. Für ein Auto ist kein Platz, die halbe „Straße“ ist weg.
Ich bin ganz entspannt, irgendwie wollte ich auch mal wieder genaus sowas haben… spontan reagieren, unerwartetes erleben, nicht nach Plan fahren. Wir hätten noch 90km bis Manizales, für die nun 3 Stunden sicher nicht reichen. In der Kurve ist Schluß. Umdrehen.
Es wird eine noch kleinere Straße, also mehr Weg als Straße. Es kommt eine Minibrücke, einspurig. Wovon wir kein Foto haben, denn das sind dann die Momente, in denen Martin angespannt ist und ich mitschauen soll, ob es sich ausgeht. Hinterher fragt er dann ob ich ein Foto hab… tja… nein!
Es wird dunkel, wir kommen an eine Abzweigung, Navi sagt links. Ok, links. Der Weg, nun eher eine Traktorspur mit sehr hohem Mittelstreifen, wird steil. Sehr steil! Links und rechts Büsche mit eingetüteten Miniguanabanas. Es regnet. Es wird noch steiler und steiniger. Martin meint, wenn wir einmal stehen bleiben kommen wir nimmer hoch. Übers Dach kratzen Blätter und Äste hinweg, Augen zu und durch. Es wird zu steil. Bleiben stehen, müssen rückwärts zurück. Martin is sehr angespannt. Ich sag nix mehr. Hab ich Foto/Video? Nein. Was solls, auf den Videos sieht man sowieso NIE wie steil es ist!
Es ist stockdunkel und schüttet aus Kübeln. Beim dem einen Haus weit und breit, kurz vor der Abzweigung ist Licht. Ich lauf hin und erkläre, wo ich hin will und dass wir diesen Weg probiert haben, aber der ist nicht möglich. Er schlägt die Hände überm Kopf zusammen. „Es geht, aber nur bergab!“ Nach rechts… immer weiter, das sei die richtige Straße, die prinzipal, so kommen wir irgendwann wieder zur großen Hauptstraße.
Der Weg ist besser, der Regen lässt gleichzeitig nach und das Navi sagt plötzlich auch nach rechts.
In der Nacht können wir gleich mal wieder unsere LEDs brauchen, die Defenderfunseln können ja nicht wirklich was. Und Martin ist wieder entspannt genug, dass ich filmen kann.
Mitten in der Nacht kommen wir an. Die zwei Tage Abenteuer Nevado del Ruiz waren mehr Abenteuer als gedacht. Ich hab einen riesen Hunger, aber bin voll froh, dass wir das gemacht haben.
Auf dem Dachträger vom Defender findet Martin am nächsten Tag zwischen den Boxen und Kanistern unsere unbeabsichtigte „Ernte“ der wilden Nachtfahrt: