Ein Jahr geht zu Ende. Es ist noch nicht vorbei und es kommen noch Erlebnisse und Blogeinträge, aber wir fangen an, unsere Reise Revue passieren zu lassen.
Wir sind nun 51 Wochen unterwegs. Und genauso wie daheim an jedem Geburtstag oder an Weihnachten oder am Schuljahresende denkt man sich “Boah, krass, ein Jahr ist um!”
Nur mit dem Unterschied, dass uns ein Jahr daheim fehlt. Ich ertappe mich, dass ich Ereignisse daheim, die nun zwei Jahre her sind, gefühlt auf “letztes Jahr” lege. Meine Zeit stimmt nicht. Ich entschuldige mich an dieser Stelle gleich nochmal für alle Nichtgratulationen zu Geburtstagen – eine Nebenwirkung meiner bewussten Zeitfreiheit.
Eine AUS-Zeit.
Das Jahr Reise ist wie eine Seifenblase in der Zeit. Und das war auch genau ein Ziel… dieses Gefühl das man ab und zu hat – sehr selten leider – dass die Zeit egal ist. Ein schönes Gefühl.
Ein afrikanisches Sprichwort sagt “Ihr Europäer habt die Uhr, aber wir haben die Zeit.” Hätte auch ein Kolumbianer sagen können. Über Zeit haben wir viel nachgedacht auf der Reise. In Kanada habe ich irgendwann meine Uhr weggepackt und in Norwegen wieder rausgekramt.
Zeit ist das Geschenk des Lebens an uns!
Diese Reise ist eine Zeitblase.
Eine Seifenblase ist für die Reise ein guter Vergleich, da sie auch ein Ende hat. Und genau das macht sie auch zu etwas Wertvollem, zu etwas Besonderen. Wir wollten von Anfang an nicht aussteigen und ewig weiter Reisen, daran hat sich nichts geändert. Nein, wir machen keine Bar in Mexiko auf oder bleiben irgendwo hängen. Aber wenn wir verlängern hätten können, hätten wirs getan. Martin würd vermutlich am liebsten in Kanada weiterfahren, ich dort wo wir aufgehört haben. Aber jetzt fahren wir langsam nach Süden, langsam heim. Jetzt haben wir eine neue Herausforderung. Wie es uns daheim geht mit dem Ankommen wird sich noch zeigen.
Ein Jahr auf Achse.
Wir hatten unglaublich wunderschöne Erlebnisse und es war zugleich unglaublich anstrengend.
Anstrengend, weil zwei erwachsene Personen auch immer zwei Wege sind. Verschiedene Tagesrhythmen, verschiedene Grenzen beim Sicherheitsempfinden, verschiedene Toleranzgrenzen beim Klima, verschiedener Fokus beim Reisen, zum Schluss sogar verschiedene Ziele. Dann wirds schon mal sehr unrund. Leichter macht es das Paarsein übrigens auch nicht, weil man Diskussionen und das Verschieden-Denken auch schnell persönlich nimmt. Heute war ein Kommentar zu unserer Geschichte: “Ihr scheint aber offensichtlich noch ein Paar zu sein! Respekt!” Ja, das ist auch nicht so selbstverständlich. Das war harte und liebevolle Arbeit! 😉 Wenn Martin mir zu Liebe länger liegen bleibt, viele Abstecher macht, langsamer als geplant unterwegs ist und letztendlich nicht nach Patagonien kommt – Wenn ich ihm zu Liebe nach Norwegen fliege anstatt über die Anden nach Lima zu fahren. Nein, das ist nicht immer Spaß. Keiner hat behauptet Langzeit-Reisen macht immer Spaß und man ist sich immer einig. Stellt es euch bloß nicht zu romantisch vor.
Es ist kein Spaß – es ist eine irre und unbeschreibliche Erfahrung!
Es ist wie das “richtige” Leben, mindestens genauso viele Hochs und Tiefs. Wenn man auf der ekligen Walmarttoilette den Tag beginnt, fragt man sich, warum man das eigentlich macht. Freiheit ist was anderes. Wenn man zusammen unglaubliche Länder, unglaubliche Menschen und unglaubliche Tiere und Pflanzen entdeckt oder einen ganzen See für sich allein hat, weiß man ganz genau, warum man es macht. Deshalb!
“Und langsam wachsma zam”, weil das Gemeinsam-unterwegs-sein trotzdem das Wichtigste blieb.
Andernfalls hätten sich die Wege vermutlich getrennt. Aber von vielen Optionen kam diese nicht in Frage. Das ist trotz kleiner Entäuschungen das große Glück dieser Seifenblase! Denn auch wenn für beide in Amerika ein offenes Ende bleibt, war alles Erlebte jeden Aufwand, jeden Euro und sogar jede Diskussion wert.
Dank Martins Idee die PanAm zu fahren, bin ich überhaupt erst in die Verlegenheit gekommen traurig zu sein, dass wir nicht weiterfahren. Weil ich sofort dabei war, konnte er einen Teil seines Roadtrips verwirklichen. Man muss beim Langzeitreisen mit einer Idee mal anfangen und dann weiß man erst wie es ist!
Sich die ZEIT zu nehmen eine lange Reise zu machen, bringt einen übrigens nicht unbedingt zu einem selbst. Gut also, dass das von Anfang an nicht unsere Motivation war. 😉
In manchen Dingen ist man unterwegs sogar mehr neben der Spur als sonst. Man nimmt sich selbst ja mit auf die Reise und auch wenn ein Ozean dazwischen liegt, ist man nie so weit weg, wie es scheint. Für die Daheimgebliebenen ist man denke ich länger und weiter weg als für einen selbst.
Man ist ja gefühlt grad erst losgeflogen! Da war ja auch kein Winter dazwischen, es kann also gefühlt kein Jahr sein! Wir waren doch nicht länger als einen Urlaub weg, oder? Erst wenn man den Blog durchstöbert, die Amerikakarte im Kopf anschaut oder abends “weißt du noch…” sagt, realisiert man selbst auch, dass es ein Jahr sein muss.
Jetzt haben wir noch ein oder zwei Wochen, um uns zu überlegen, was wir auf die Frage “Und wie war’s???” antworten werden.
Wir wissen es noch nicht.