Jedes Jahr nehme ich im Unterricht das Gebäude durch, jedes Jahr fragen mich Schüler, ob ich schon dort war und „Können wir da mal ’ne Exkursion hin machen?“ Jedes Jahr sage ich “Nein, das ist irgendwo in Pennsylvania irgendwo im Nirgendwo, da komm ich wahrscheinlich leider auch nie hin….“
Ich war voll nervös. Wie ein kleines Kind vor Weihnachten! Einen Tag zuvor konnte ich es gar nicht glauben. Vor dem Eingang mussten wir warten, bis wir um 8 Uhr zum Besucherzentrum durften und um 8:30 unsere reservierte Tour begannen.
Erster Blickkontakt… Ohhhh!!!
Fallingwater besteht eigentlich aus zwei Häusern, die mit einem überdachten Weg verbunden sind. Das Haupthaus und das Gästehaus. Die Familie Kaufmann machte im Wald auf dem Felsen beim Wasserfall oft Picknick und sie wünschten sich dort auf dem Gelände ein Wochenendhaus. Der Architekt Frank Lloyd Wright solle es entwerfen. Es wurde sein Meisterwerk.
Wright positionierte das Haus nicht mit Blick zum dem kaskadenartigen Wasserfall – wie es vermutlich die meisten Architekten machen würden und was die Familie sicher erwartet hatte – sondern direkt auf einen der Felsen. So verbindet sich Wasserfall und Haus zu einer einzigartigen Einheit. Der Felsen ragt im Haus sogar vor dem Kamin noch heraus.
“No house should ever be on a hill or on anything. It should be of the hill. Belonging to it. Hill and house should live together each the happier for the other.” (Frank Lloyd Wright)
Manchmal sind die Ziele, die man sich im Kopf groß ausmalt ja in Wirklichkeit dann unbedeutend oder sogar entäuschend. Das Gebäude ist eins der Wichtigsten der Architekturgeschichte und je mehr man drüber liest, desto neugieriger wird man. Oft sind Architekturikonen ja Kirchen oder Museen… aber hier handelt es sich um ein Wohnhaus, ein Ferienhaus. Man kann es also nicht nur anschauen, sondern sich reinversetzen, sich vorstellen hier zu wohnen. Wie wäre es hier ein Wochende zu Gast zu sein? Wie fühlt es sich an über dem Wasserfall zu leben, also mit dem Wasserfall? Wie laut ist es, wie gemütlich ist es, wie sind die Nebenräume, von denen man selten Fotos findet? Wie sind die Möbel, die Wright alle entworfen hat? Wie verknüpft Wright die Natur und das Haus, was ihm ja ein Anliegen war. Und wie ist die Atmosphäre dort? Man stellt es sich magisch vor.
Und genau das war es! Ein Traum geht in Erfüllung und die Seifenblase zerplatzt NICHT! Es ist genauso, wie ich es mir vorgestellt hab, genauso schön, genauso interessant, nur größer und noch viel verschachtelter als gedacht. Das System „Verengung und Öffnung“ macht das Gebäude zum Erlebnis.
Egal in welche Ecke man fotografiert, es ist immer ein Bild.
Sehr spannend war es bei der fast zweistündigen Tour in alle Winkel guggen zu können: die Abstellkammer, die Bücher der Kaufmanns und ihre Kunstwerke zu sehen, das Bad, die Ecken und Verbindungen…
… und über die Papiertücher in der Wand schmunzeln wir, aber das Haus hat natürlich seine Probleme… Wasserfall ist Wasserfall und 1934 (Baubeginn) ist lange her. Wenn man überlegt, wie damals die Autos ausgesehen haben, wird schnell klar, warum es eine zeitlose Ikone ist.
Unser Guide Henry hat so manche Anekdote im Gepäck und ich könnte ihn mir auch als Hausherren vorstellen. Im Gästehaus mit eigenem Pool möchte man sowieso gleich ein paar Nächte bleiben.
Nicht nur eine perfekte Harmonie von Moderne und Natur, nicht nur eine Architekturikone – für mich auch ein erfüllter Traum. Ein Traumhaus!
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